Closing – Den Sack zumachen!

Der Blog Strategy Insights von Markus Hensel behandelt aktuelle Themen der Unternehmensführung, inspiriert von der Praxis und stets mit einem persönlichen Blick auf die Herausforderungen und Chancen der Geschäftswelt.
April 2, 2025

Closing ist kein Ersatz für Verhandlungsgeschick

Im angelsächsischen Sprachraum spricht man gerne vom sagenumwobenen Closing. Viele Kollegen betrachten das Closing als eine Meisterdisziplin, die die Management- bzw. Vertriebspersönlichkeit besonders auszeichnet. Dem stimme ich nur teilweise zu, da aus meiner Sicht das Closing durch eine geschickte Vorbereitung und Durchführung der Verhandlung zu großen Teilen vorbestimmt ist. Daher sei mir der Kommentar erlaubt, dass großartige Closer möglicherweise gerne Sorgfalt bei der Verhandlung missen lassen, was im Ergebnis fast immer „teuer“ und risikobehaftet ist. Ich empfehle daher, sich zum erstklassigen Verhandler auszubilden, anstatt sich zum Closer zu entwickeln. Christian Wirrwitz präsentiert in seinem Buch „Verhandlungstechniken für dummies“ fundiertes Grundlagenwissen. Matthias Schranner bietet mit seinem Schranner Negotiation Institute Kurse an, die sowohl theoretisches Verständnis als auch praktisches Können vermitteln.

Closing aus einem anderen Blickwinkel

In diesem Beitrag möchte ich mich jedoch dem Thema Closing aus einem anderen Blickwinkel nähern und hierzu einen Leitsatz heranziehen: „Nichts übertreiben, keinen unnötigen Druck ausüben, aber auch keinen Tag, keine Stunde, Minute und Sekunde verstreichen lassen, in denen der Wettbewerb oder Zweifel noch hineingrätschen können.“

Entscheidung ohne inneren Konsens

Am Ende eines langen und zähen Entscheidungsprozesses ist eine Firma oft ermüdet, des Themas überdrüssig oder gar intern verstritten. Es haben sich Lager mit unterschiedlichen Favoriten gebildet, die nun wieder versöhnt werden müssen. Das System steht unter Druck und möchte diese Situation durch eine finale Entscheidung aufheben. Das System, also die Firma, befindet sich in einem fragilen Zustand. Zumeist hilft der interne Einkauf mit lindernden Maßnahmen. Die Anbieter werden als gleichwertig erklärt und nur der beste Preis kann die Firma und das Management zu einer finalen Entscheidung bewegen. Das Spiel ist bekannt und wurde bereits millionenfach bühnenreif aufgeführt. Der Fokus liegt nun auf der Preisverhandlung und alle anderen Dissonanzen wandern in den Hintergrund, sind aber nicht bearbeitet und schon gar nicht aufgelöst! Im Untergrund gärt es weiter! Und zumindest unterschwellig nehmen viele Mitarbeiter wahr, dass die Entscheidung eigentlich noch nicht reif ist, das Fundament für eine Entscheidung noch nicht trägt und alle Mitarbeiter aussöhnen kann.

Das ist eine kritische Zeit!

Der Kunde ist anfällig für neue, oft sinnfreie Ideen, die mit der originären Entscheidungsgrundlage zumeist wenig zu tun haben. Zudem reagiert das angespannte System „Kunde“ sensibel oder gar allergisch auf zusätzlichen Druck. Experten für Thermodynamik bzw. Maschinendynamik könnten diesen Zusammenhang gewiss interessant aus ihren Fachdisziplinen beschreiben. Das System kann in unerwartete und dann nicht beherrschbare Schwingung geraten. Das Ende vom Lied ist dann eine Nicht-Entscheidung oder eine totale Überraschung, was die finalen Entscheidungsgründe betrifft. Schon mal erlebt??

Keinen unnötigen Druck ausüben

Nun zurück zu obigem Leitsatz. Befindet sich ein Kunde in einem solchen Zustand, sind die Variablen Druck und Zeit von großer Bedeutung. Drängen Sie Ihren Kunden zu massiv, wird er eine Gegenreaktion zeigen, die überwiegend nicht verbindend, sondern abstoßend ist. Ihre Kundenbeziehung wird sehr wahrscheinlich diskreditiert. Also Vorsicht mit Ihrer eigenen Ungeduld, die Sie an Ihren Kunden durch unangemessenen Druck übertragen.

Mangelndes Feingefühl bedeutet hohes Verlustrisiko

Nun wird es richtig unfair: Auf der anderen Seite ist es überaus risikoreich, Zeit verstreichen zu lassen, wenn Sie sich in der Pole Position befinden. Ihre Situation wird über Zeit nicht besser und daher ist ein zeitnaher Vertragsabschluss das Beste, was Ihnen passieren kann. Hierzu ist aber ein gewisser Anschub notwendig, um die Entscheidung zu finalisieren. Druck und Zeit stehen im Konflikt und das Handling dieser Situation bedarf viel Fingerspitzengefühl. Darum ist in dieser Phase der typische Closer auch fehlplatziert. Zu oft agiert er mit mangelndem Feingefühl für Druckaufbau und geduldiges Handeln. Er will halt closen und am besten jetzt sofort. Dieses Verhalten wird mit einem hohen Verlustrisiko bzw. hohen Discounts (Eingeständnissen) bezahlt und diskreditiert die jahrelange Arbeit des Projektteams.

Wettbewerb und Zweifel

Auf der anderen Seite soll kein Tag, keine Stunde, Minute und Sekunde unnötig verstreichen. Das stimmt, denn der Kunde ist jetzt anfällig für Zweifel, die aus der eigenen Firma bzw. vom Wettbewerb kommen. Daher sind in diesem Moment Zweifel und Wettbewerb gleichzusetzen. Der Wettbewerb wird mit Zweifeln intervenieren und versuchen, die Entscheidung zu verzögern. Zu 99% agiert der Wettbewerb dann mit einer Delay-Strategie und die kann von Ihnen nur unterschätzt werden. Die Kehrseite: Sollten Sie im Nachteil sein, können Sie sich durch Einstreuen von Zweifeln einen Vorteil erarbeiten, eine Verzögerungsstrategie implementieren und den gewonnenen Zeitaufschub nutzen, um ihre Position zu stärken.

So bleibt dem geschickten Verhandler nur die Wahl, mit angemessenem Schub ohne Zeitverlust den Sack zuzumachen! Und das ist dann auch Closing mit Klasse!

Insights
2 helmets Blog

Wettbewerb gewinnen durch Strategie und Analyse mit Markus Hensel – Erfolgsfaktoren für Unternehmen.

Markus Hensel

Auf meiner beruflichen Reise durch unterschiedliche Unternehmen und Verantwortungsbereiche durfte ich in den vergangenen 30 Jahren vielfältige und prägende Erfahrungen sammeln – mal erfreulich, mal herausfordernd. Diese Erlebnisse haben meine Perspektive auf Management, Strategie und Vertrieb nachhaltig geprägt – Eindrücke, die ich gerne mit Ihnen teile.

Im Blog Strategy Insights finden Sie pointierte Beiträge zu aktuellen Themen der Unternehmensführung, inspiriert von der Praxis und stets mit einem persönlichen Blick auf die Herausforderungen und Chancen der Geschäftswelt.

Ich freue mich sehr über Ihre Rückmeldungen, Anregungen oder weiterführenden Gedanken – gerne per E-Mail.

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