Die stille zweite Seite einer Unternehmensentscheidung
Die Entscheidung eines Kunden für einen Anbieter ist weit mehr als ein einfacher Zuschlag – sie ist zugleich ein bewusster Abschied von alternativen Optionen. Dieser Schritt ist selten bloße Formsache, sondern häufig von entscheidender Bedeutung für den Erfolg eines strategischen Projekts.
Ein guter Start
Selbstverständlich betrachtet der Kunde mehrere Anbieter – nicht allein aus Compliance-Gründen, sondern weil es um weitreichende Investitionen geht. Im Zentrum stehen Business Value, Problemlösungskompetenz und das Streben nach strategischen Wettbewerbsvorteilen. Der Auswahlprozess folgt klaren internen Regularien, ist in der Regel gut vorbereitet und gründlich dokumentiert. Die Vorstellung einer objektiven Entscheidungsfindung prägt den Anfang dieser Phase und erzeugt ein Gefühl von Aufbruch und rationaler Sorgfalt: Wir treffen eine fundierte und zukunftsweisende Entscheidung.
Das gemeinsame Lagebild ist nur selten konsistent
Alle Anbieter bemühen sich, ihr Leistungsversprechen bestmöglich darzustellen und die eigene Lösung als überlegen zu positionieren. Dazu gehören persönliche Gespräche, in denen offene Fragen geklärt und neue Impulse gesetzt werden. Diese Gespräche erfolgen jedoch zeitlich und inhaltlich asynchron, oft mit unterschiedlichen Ansprechpartnern auf Kundenseite. Nicht jeder Anbieter spricht mit jedem Beteiligten über sämtliche offiziellen oder ergänzend eingebrachten Inhalte. So entsteht beim Kunden zwangsläufig ein uneinheitliches Bild – geprägt von individueller Resonanz und selektiver Wahrnehmung. Die interne Kommunikation vermag es selten, diese Vielfalt an Eindrücken in ein konsistentes Gesamtbild zu überführen. Die Idee, „alle sehen dasselbe“, erweist sich in komplexen Entscheidungsprozessen als Wunschdenken.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Selbst innerhalb vertrauter Teams ist das gemeinsame Lagebild oft nur scheinbar konsistent – Differenzen zeigen sich später, manchmal mit erheblicher Tragweite.
Konsensbildung mit strategischem Fokus
Gehen wir also davon aus, dass der Kunde ein facettenreiches Bild entwickelt hat – und damit auch unterschiedliche Meinungen darüber, welche Lösung die richtige ist. Diese Heterogenität ist kein Mangel, sondern eine natürliche Konsequenz anspruchsvoller Auswahlprozesse. Die zentrale Führungsaufgabe besteht nun darin, einen tragfähigen Konsens herbeizuführen, ohne dabei die strategischen Zielsetzungen des Unternehmens zu gefährden. Denn Konsens bedeutet fast immer Kompromiss – und ein Kompromiss kann fatal sein, wenn er lediglich den innerbetrieblichen Frieden sichern soll.
Emotionale Dimensionen der Entscheidungsfindung
Unabhängig davon ist jeder Konsens gleichbedeutend mit Verzicht: Viele Mitarbeitende müssen sich von ihren favorisierten Lösungen verabschieden – ein Trennungsprozess, der emotional nicht zu unterschätzen ist. Und Trennung schmerzt.
Dieser Aspekt wird von Anbietern ebenso wie von Kundenverantwortlichen häufig übersehen – mitunter mit ernsthaften Folgen. Fehlendes Einfühlungsvermögen auf Seiten des Anbieters kann den Vertriebserfolg gefährden. Auf Kundenseite führt der Eindruck, übergangen worden zu sein, nicht selten zu passivem Widerstand oder mangelndem Engagement – kritische Erfolgsfaktoren, die jedes Projekt ins Wanken bringen können.
Gerade deshalb sollten Entscheidungen – und damit auch die damit verbundenen Trennungen – mit Empathie und überzeugender Argumentation begleitet werden. Dies ist ein entscheidender Beitrag zum späteren Projekterfolg.
Gleiches gilt für die unterlegenen Anbieter. Auch sie verlassen das Verfahren – mit ihren Ideen, Konzepten und Lösungswegen. Der Kunde verliert dadurch Optionen, während zugleich seine Verantwortung für die getroffene Wahl steigt. Eine Situation, die nur wenige als angenehm empfinden.
Vom Wettbewerb zur Partnerschaft
Die letzten Schritte eines langen Auswahlprozesses sind daher oft spannungsgeladen. In dieser kritischen Phase bewährt sich der Anbieter, der nicht nur fachlich überzeugt, sondern auch als empathischer Partner auftritt – und gemeinsam mit dem Kunden entwickelt, warum der Abschied von der letzten Alternative die richtige Entscheidung ist.
Denn genau hier – im sensiblen Übergang zwischen Wettbewerb und Partnerschaft – entscheidet sich, ob ein Projekt von Anfang an auf tragfähigem Fundament steht.
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